25.03.2012: Landesliga, 8. Runde: SG KK Hohentübingen – SV Reutlingen 6.0:2.0
Steigende Formkurve vor dem Saisonfinale
Die Dramaturgie in der Landesliga stimmt, alles ist bereit zum großen Finale. Hohentübingen und Neckartenzlingen gewannen jeweils ihre Spiele und wie es der Zufall (?!) will, treffen sie in der letzten Runde aufeinander. In der Vorschlussrunde ging es natürlich auch darum, sich im Fernduell keine Blöße zu geben und die Brettpunktebilanz nicht aus dem Auge zu verlieren. Die Königskinder hatten dabei mit dem SV Reutlingen die scheinbar schwerere Aufgabe, allerdings brachte der Gegner nur sechs Mann an die Bretter. Somit war dann ziemlich schnell klar, dass es wirklich nur um die Brettpunkte gehen würde.
Michael Schwerteck (5) und Bernd Staufenberger (6) waren die beiden „Glücklichen“, die sich umsonst am frühen Sonntagmorgen (Zeitumstellung!) aus dem Bett gequält hatten. Den ersten am Brett erspielten Punkt holte Kai Schumann (7) in einer zweischneidigen Partie gegen Markus Lemcke. Mit aggressivem Spiel versuchte Kai schon früh, die Initiative an sich zu reißen. Objektiv war dies vielleicht etwas voreilig, aber Lemcke übersah zum kritischen Zeitpunkt ein wichtiges Manöver und ließ Kais Schwerfiguren einbrechen. Den Rest wollte er sich schon gar nicht mehr zeigen lassen. Karsten Neurohr (2) legte mit einem schönen Sieg gegen Thomas Frey nach. Schon in der Eröffnung brachte er ein sehr interessantes doppeltes Bauernopfer, um Angriffschancen und Zugriff auf die schwarzen Felder zu bekommen. Das Konzept ging prima auf, denn der Reutlinger brachte seine Figuren nichts ins Spiel und als er dann doch einen Befreiungsversuch wagte, beschleunigte dies nur seinen Untergang. Ein eindrucksvolles Comeback von Karsten, der nach einer kleinen Durststrecke wieder zeigen konnte, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Das Remis von Jonathan Reichel (4) gegen Frank Hablizel besiegelte dann auch schon den Mannschaftssieg. In einer typischen Isolanistellung schien Jonathan zunächst eine angenehme Initiative zu haben, ließ dann aber Vereinfachungen zu, die den Gegner begünstigten. So gab er sich lieber mit Remis zufrieden als womöglich noch in ein schlechtes Endspiel zu geraten. Martin Schmidt (3) stand nach der Eröffnung leicht seltsam (zumindest nach dem Positionsverständnis des Berichterstatters), aber dann gab sein Gegner Oliver Breitschädel mit einem verfehlten Bauerntausch das Zentrum preis, wonach Martin bereits mehr vom Spiel hatte. Noch schien nicht klar, wie man das bewegliche Bauernzentrum in einen Sieg ummünzen konnte, aber mit einem interessanten Figurenopfer für zwei Bauern hatte Martin ein glückliches Händchen. Der Gegner brach unter dem Druck bald zusammen und gab auf, als er erkannte, dass er die Figur bei übler Stellung zurückverlieren würde. Schade, dass Heiner Uhlig (8) seine chancenreiche Stellung dann noch verdarb, aber es kann eben auch nicht alles klappen. Heiner hatte seinen Gegner Bernd Hammann zunächst in eine passive Stellung gedrängt, fand dann aber nicht die beste Fortsetzung des Angriffs. Der Gegner kam wieder ins Spiel und die Lage wurde recht unklar. Der Faden war allerdings bei Heiner schon gerissen und das Übersehen eines taktischen Einschlags kürzte nur die Leiden in einer bereits ungemütlichen Lage ab. Auch für Matthias Hönsch (1) wäre gegen Oliver Maas ein wenig mehr drin gewesen. Nachdem Matthias mit geduldigem Spiel ein besseres Endspiel erreicht hatte und schließlich auch Maas' Damenflügelbauern abholen konnte, schien ein Sieg wahrscheinlich, auch wenn es noch technische Schwierigkeiten zu lösen gab. In Zeitnot fand Matthias aber nicht die beste Figurenaufstellung, um die gegnerische Aktivität abzufedern, so dass nicht mehr heraussprang als ein Turmendspiel, das nicht mehr zu gewinnen war.
Trotz der leichten Ernüchterung zum Schluss war es sicherlich wieder eine bessere Mannschaftsleistung als zuletzt, auch wenn der Gegner einen eher unmotivierten Eindruck machte. Das druckvolle, entschlossene Spiel war von der Seitenlinie gut anzuschauen. Ein gutes Zeichen für die letzte Runde, in der ein 4:4 für den Aufstieg genügt. Wie es im Falle einer Niederlage ausschaut, ist recht kompliziert und erfordert einen Blick in die WTO. Straff zusammengefasst: Gewinnen die Neckartenzlinger 6:2 oder knapper, gibt es ein Entscheidungsspiel, gewinnen sie höher, sind sie Erster. Hauptsächlich gefragt sind jetzt aber nicht Rechenschieber und Regelwerk, sondern starkes Spiel, um die Saison zum krönenden Abschluss zu führen. Mit gutem Beispiel vorangegangen ist bereits die vierte Mannschaft, hierzu herzlichen Glückwunsch von der „Ersten“!
Zum Abschluss noch ein Ausschnitt aus Neurohr – Frey (weitere Highlights eventuell im Köki-Blog, der bald gestartet werden soll). Die Diagrammstellung ist vielleicht der faszinierendste Moment der Partie. Weiß hat beide Damenflügelbauern gegeben und droht nichts Konkretes, verfügt aber über schöne Kompensation, da seine Figuren viel größere Wirkung entfalten. Zuletzt geschah 17.Da1!, was nicht nur aus ästhetischen Gründen überzeugt. Dass Karstens Konzept nicht rein spekulativ ist, wird übrigens dadurch bestätigt, dass das elektronische Orakel hier leichten Vorteil für Weiß sieht. In der Partie versuchte Schwarz, sich zunächst am Damenflügel zu entlasten, was aber nicht so richtig klappte. Karsten konnte über die schwarzen Felder eindringen, wonach die Partie bald entschieden war. Sicher hätte Schwarz sich zäher verteidigen können, aber schön und lehrreich ist die Partie dennoch. Hier die restlichen Züge: 17...Tb8 18.Lb5 a6 19.Lxc6 bxc6 20.Txb8 Sxb8 21.Tb1 Da7 22.Lb4 Sd7 23.Ld6 c5 24.Da4 Lb7 25.dxc5 Kd8 26.Da5+ Ke8 27.Dc7 1-0