04.03.2012: Landesliga, 7. Runde:SC Kirchheim/Teck – SG KK Hohentübingen 2.5:5.5

Von Klöpsen und Klötzchen

14:0 Punkte, Tabellenführung, weiterhin beste Aufstiegschancen, da muss man nicht unbedingt meckern. Als pflichtbewusster Chronist kann man allerdings kaum behaupten, dass die Hohentübinger „Erste“ in letzter Zeit überzeugende Leistungen zeigen würde. Aufgrund der ausgeglichenen Besetzung (knapp 2000 DWZ an Brett 8!) reicht es letztlich immer irgendwie zum Sieg, aber auch gegen Kirchheim präsentierten sich einige Spieler in bedenklicher Form. Tja, diese Formschwankungen, darüber wurde schon auf der Hinfahrt philosophiert. Es gibt Tage, da läuft es irgendwie, man sieht die Dinge einfach und das Spiel erscheint einem eigentlich gar nicht so schwer. Und dann gibt es Tage, wie Karsten es so schön formulierte, da sieht man nur Klötzchen herumstehen und weiß nichts damit anzufangen. Unser Erklärungsansatz war, dass man manchmal einfach den Kopf nicht frei hat und unbewusst, also ohne es selber richtig zu merken, mit anderen (z.B. beruflichen) Problemen beschäftigt ist. Man hängt sich zwar rein und versucht sich zu konzentrieren, aber es gelingt einfach nicht. Unterschwellig laufen Prozesse weiter, die man gar nicht steuern kann...

Bevor es nun aber in Tiefenpsychologie ausartet, zurück zum Schach: Nach verhaltenem Spielverlauf war das Remis zwischen Matthias Hönsch (1) und Wolfgang Melcher das erste Ergebnis des Tages. Dafür gab es keine hohen Quoten in den Wettbüros, denn beide sind nun mal sehr solide Spieler, die auch einigen Respekt voreinander haben. Auch Karsten Neurohr (2) kam gegen Thomas Ganter zu einer nicht ganz ausgekämpften Punkteteilung. Nach jeweils zwei vorangegangenen Niederlagen war dies beiden ganz recht; zudem sah sich Karsten etwas im Nachteil. Auf Martin Schmidt (3) war einmal mehr Verlass. Gegen Wolfgang Flogaus ging er aggressiv zu Werke und erreichte schon bald eine schöne Druckstellung. Da lagen auch schon taktische Ideen in der Luft und in der Tat hatte Martin den Punkt bald in der Tasche, nachdem er einen eingesperrten Turm abholen konnte. Überzeugend spielte außerdem noch Edeljoker Bernhard Homa (8). Sein Gegner Frieder Fronmüller hatte mit seinem ruhigen Aufbau kein glückliches Händchen, denn er erreichte als Weißer nicht nur keinen Vorteil, sondern hatte schon bald Probleme am Hals. Nachdem Bernhard einen Bauern gewonnen hatte, versuchte der Gegner mit verzweifelten Opfern noch einen Gegenangriff, wurde aber kühl ausgekontert. 3:1 lag die Truppe also in Führung, der Rest war allerdings mühsam. Bernd Staufenberger (6) traf mit Frank Schneider auf einen relativ DWZ-starken Ersatzmann und musste sich mit einer passiven Stellung abmühen, nachdem in der Eröffnung irgendetwas schiefgegangen war. Die zähe Verteidigung trug immerhin Früchte, denn im Doppelturmendspiel reichte Bernds Aktivität trotz Minusbauer zum Remis. Jonathan Reichel (4) hatte gegen Tom Kälberer schon früher aktive Möglichkeiten, allerdings auf Kosten eines Bauern. Da auch der Gegner seine Trümpfe hatte, erschien die Kompensation doch eher fraglich. Jonathan konnte dann jedoch Zug um Zug seine Stellung verbessern und schließlich den Bauern mit anhaltendem Druck zurückgewinnen. Irgendwann wurde der Kirchheimer der Drohungen nicht mehr Herr und musste aufgeben. Kai Schumann (7) bekannte schon während seiner Partie gegen Anatoli Fridman, einen dieser „Klötzchen-Tage“ (s.o.) zu haben. Nachdem er ein paar Dinge übersehen hatte, konnte er mit einem Klötzchen weniger zunächst nur noch im Trüben fischen, allerdings demonstrierte der Gegner keine überzeugende Technik. Im Damenendspiel war Kai sogar eher am Drücker, kam dann aber doch nicht aus dem Dauerschach heraus. Eher noch schlimmer erging es Michael Schwerteck (5), der von einem Blackout zum nächsten schlitterte und immer wieder einfachste Bewegungen der Klötzchen übersah. So kann man keinen Erfolg haben; da ist es fast egal, was der Gegner für eine DWZ hat. Der Gegner hieß in diesem Fall Moritz Bigalke und trug u.a. mit lautstarken Selbstgesprächen und Gefühlsausbrüchen zur unfreiwilligen Komik der Partie bei. Was sonst noch alles für kuriose Dinge passierten, kann man eigentlich gar nicht beschreiben, es war zu grausam. Jedenfalls ergab sich am Ende irgendwie ein Turmendspiel, das trotz zwei Minusbauern remis war. Wenigstens diese Phase kann man als Lehrmaterial vorzeigen, siehe unten. Unterm Strich steht ein halbwegs standesgemäßes 5.5:2.5, allerdings hat auch Verfolger Neckartenzlingen gewonnen, also ist noch nichts entschieden.

Zur Feier des Tages noch ein paar Takte Turmendspiel. Das Geschehen von der Zeitkontrolle bis hierher war auch nicht uninteressant, aber das müsste man in aller Ruhe analysieren. Der Berichterstatter hatte jedenfalls in den letzten Zügen die Diagrammstellung angestrebt, sogar unter Aufgabe seines letzten Bauern. Der Gegner zeigte sich hiervon, um es auf die freundliche Art zu formulieren, sichtlich überrascht und nicht gerade beeindruckt. Zu früh gefreut, denn die Stellung ist remis. Die Kombination a- und c-Bauer (oder natürlich spiegelverkehrt f- und h-Bauer) ist leider die schlechteste, die es gibt. Zudem wäre es für Schwarz günstiger, wenn der c-Bauer weiter hinten stünde, denn dann stünde das Feld c4 für den König zur Verfügung. So hingegen hat Weiß eine relativ einfache Verteidigungsstrategie: Der Turm stellt sich hinter den a-Bauern, der König bleibt auf c2, bei Vorrücken des schwarzen Königs kommen Schachs von hinten. Im Endeffekt kommt Schwarz nicht richtig weiter. Am besten ist es noch, wenn er irgendwann seinen a-Bauern opfert, aber auch dann ist es bei richtiger Verteidigung remis. In der Partie kam es so: 53...a5 54.Kc2 a4 55.Ta7 Kc5 56.Ta8 Ta2+ 57.Kb1 Th2 (mit viel Theatralik und bedeutungsschwangerer Miene gespielt, als ob es eine unglaublich tiefsinnige Idee sei) 58.Txa4 Kd4 59.Ta3 (Verteidigung auf der dritten Reihe!) Td2 60.Kc1 Td3 61.Ta8 Th3 62.Tg8 Th1+ (kritischer ist 62...Kc3, aber dann folgt nach der Philidor-Methode 63.Kb1!: der König geht auf die kurze Seite, der Turm gibt von der anderen Seite Schach) 63.Kc2 Th2+ 64.Kc1 Kc3 65.Tg3+ Kb4 66.Tf3 c3 67.Tf8 Th5 68.Tb8+ Tb5 69.Txb5+ Kxb5 70.Kc2 Kc4 71.Kc1 Hier bot Schwarz Remis an (süß die Nachfrage: „...oder willst du weiterspielen?“) und jammerte zugleich bitterlich über den angeblichen „Tempofehler“ 70...Kc4. „70...Kb4 hätte gewonnen!“ Kein Kommentar...




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