Verbandsliga, 4. Runde: SV Ebersbach – SG KK Hohentübingen 4.5:3.5
Herbstmeisterschaft knapp verpasst (schluchz)
Auf dem Papier war es ein echtes Spitzenspiel: Mit einem Sieg beim Spitzenreiter Ebersbach hätten die Königskinder ihrerseits die Tabellenführung übernehmen können. Aber manchmal lügt die Tabelle halt doch (vor allem bei einer ungeraden Teilnehmerzahl) und anstatt von höheren Sphären zu träumen, sollte man sich lieber darauf konzentrieren, nicht abzusteigen. Die Partien waren auch, das muss man ehrlich sagen, zwar kompliziert und spannend, aber doch alles andere als oberligareif. Selten hat das Analysemodul des Berichterstatters beim Durchklicken der Partien so furios mit dem roten Lämpchen geblinkt wie diesmal. Irgendwie herrschte die totale Anarchie und es gab eigentlich keine einzige Partie, die von Anfang bis Ende einen logischen Verlauf nahm.
Es folgt das Bemühen, das Chaos so rational wie möglich zu beschreiben: Michael Schwerteck (4) bekam gegen Ralf Warthmann nach und nach positionelles Oberwasser, so dass der Gegner mit einem Königsangriff alles auf eine Karte setzte. Jetzt hätte man „nur“ nicht matt werden dürfen, aber diese Aufgabe erwies sich leider als zu schwer. Dabei wäre es, im Nachhinein betrachtet, so einfach gewesen: Ein logischer und konsequenter Gegenschlag im Zentrum hätte riesigen Vorteil gebracht, stattdessen geschah aber ein ebenso überflüssiger wie schädlicher Defensivzug am Königsflügel. Die Strafe folgte auf dem Fuß, in Form einer sehenswerten Mattkombination mit mehreren Figurenopfern. Während der Analyse dieser Partie folgten dicht hintereinander einige weitere Entscheidungen. Da die genaue Chronologie nicht bekannt ist, richten wir uns nach der Brettreihenfolge: Matthias Hönsch (1) agierte gegen Bernd Grill recht fahrig, erreichte mit Weiß zunächst leichten Eröffnungsnachteil und stellte dann ca. im 20. Zug eigentlich eine Qualität ein. Verblüffenderweise griff der Ebersbacher aber einfach nicht zu. Über die Beweggründe kann man nur spekulieren, jedenfalls war nach der Partiefolge kein Vorteil mehr vorhanden und es gab schließlich einen Remisschluss im ausgeglichenen Läuferendspiel. Dasselbe Ergebnis erzielte Karsten Neurohr (2) gegen Michael Rupp, was aber sogar noch schmeichelhafter war. Nach einer gelungenen Eröffnungsüberraschung kam Karsten zunächst gut ins Spiel, legte dann aber die Bauernstruktur im Zentrum ganz falsch fest, wonach seine Stellung eigentlich schon bald in ihren Grundfesten zerbröselte. Ein verzweifeltes Figurenopfer war im Prinzip reine Agonie und der Gegner hätte auf viele verschiedene Weisen die Partie rasch entscheiden können. Stattdessen lief er in den einzigen taktischen Trick, den Karsten noch hatte, und musste sich zähneknirschend ins Remis fügen. Eine von Anfang an hochkomplizierte Partie spielte Lauritz Jansen (5) gegen Werner Junger. Das Königskind gewann früh eine Qualität und war gefühlsmäßig am Drücker, aber die Stellung blieb sehr unübersichtlich. Die Engine kritisiert beinahe jeden Zug, aber in diesem Fall fällt es schwerer, den Spielern einen Vorwurf zu machen. Was auch immer genau los war: Letztlich hatte Lauritz einen Mehrbauern im Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern und da der Gegner in Zeitnot nicht die zäheste Verteidigung finden konnte, war der volle Punkt bald in der Tasche. Weniger Fortune war Kai Schumann (7) beschieden. Gegen Hartmut Hehns seltenen Aufbau improvisierte er früh und schien damit zunächst auch gut zu fahren. Nachdem der Gegner in eine unangenehme Fesselung geraten war, hätte Kai sogar glatt gewinnen können, wickelte stattdessen aber falsch ab und geriet plötzlich selber in Schwierigkeiten. Nach einem weiteren Fehler ging eine Qualität verloren und es gab statt des möglichen Sieges eine bittere Niederlage. Bernd Staufenberger (8) ging mit seiner Eröffnungsbehandlung hart ins Gericht und beklagte einen „Bauernverlust“. Der Computer sieht dies freilich viel optimistischer und bezeichnet es sogar als schweren Fehler von Michael Mehrer, den Bauern überhaupt zu nehmen. Im Grunde bestätigte der Partieverlauf auch die gefährliche Kompensation, denn für den materiellen Nachteil erhielt Bernd einen starken Freibauern und aktives Figurenspiel. Nach ein paar Ungenauigkeiten des Gegners wurde der Vorteil immer größer und auch wenn Bernd laut Aussage des Rechenknechts (so ein Besserwisser aber auch!) zwischenzeitlich wieder alles wegwarf, war es am Ende doch ein verdienter Sieg. So stand es nach der Zeitkontrolle 3:3 und man fragte sich zunächst, was eigentlich in der wilden Partie von Jörg Jansen (6) los war, in der Uli Junger eine Figur für Angriff geopfert hatte. Aus menschlicher Sicht alles ziemlich unklar, die Maschine spuckt aber eine ganze Serie von Gewinnmöglichkeiten für den Ebersbacher aus. So gesehen muss man von Glück reden, dass Jörgs Gegner am Ende nicht mehr als ein Dauerschach fand. Nun hätte Martin Schmidt (3) sein Endspiel gegen Dietmar Kessler halten müssen, um wenigstens noch einen Mannschaftspunkt zu sichern. Einige Züge früher wäre dies noch ziemlich leicht möglich gewesen, aber da war auch noch nicht klar, ob dieses Ergebnis reichen würde. Im Bemühen, gewisse Spannungen beizubehalten, traf Martin ein paar unglückliche Entscheidungen, so dass die ursprünglich völlig ausgeglichene Stellung immer unangenehmer wurde. Nach der Zeitkontrolle gab es wohl schon keine Rettung mehr und Kessler vollstreckte dann auch sauber zum Mannschaftssieg.
Insgesamt war es ein seltsames Spiel mit einem unschönen Ergebnis, aber die Punkte waren auch nicht unbedingt eingeplant. Das nächste Spiel gegen Balingen gilt es nun zu gewinnen, um sich im Mittelfeld zu stabilisieren. Hervorzuheben sind noch, um positiv abzuschließen, die exzellenten Spielbedingungen in Ebersbach. Großzügige Räumlichkeiten (einschließlich Analyseraum), schönes Spielmaterial und kostenlose Verpflegung mit Kaffee und Kuchen, da muss man beinahe hoffen, dass Ebersbach in der Verbandsliga bleibt...