Verbandsliga, 6. Runde: SG KK Hohentübingen – SC Weiße Dame Ulm 3.0:5.0
It's what it is
...sagt Hikaru Nakamura zur Zeit in jedem Interview. Da treten wohl seine fernöstlichen Wurzeln zutage. Diese gelassene philosophische Betrachtungsweise ist vielleicht tatsächlich am besten geeignet, um turbulente Partieverläufe zu verarbeiten. Schach ist ja in der Hinsicht ein eigenartiges Spiel, dass es im Laufe einer Partie nie einen gesicherten Zwischenstand gibt. Egal, wie gut man vorher gespielt hat, man kann jederzeit alles mit einem Zug verderben. Vor allem im Amateurbereich passiert das auch ziemlich häufig und viele Partien gehen anders aus, als man es lange Zeit gedacht hätte. Im Verbandsligamatch gegen Weiße Dame Ulm gab es etliche dieser überraschenden Momente; die Gastgeber hatten dabei allerdings zu ihrem Leidwesen meistens das schlechtere Ende. Insgesamt war es ein spannendes Match mit bunten Partien, aber eben auch mit vielen Fehlern – zu vielen aus Sicht der Königskinder. Von daher war der Ulmer Sieg unterm Strich verdient.
Jörg Jansen (6) befand sich mitten im Umzugsstress und hätte lieber gar nicht gespielt, aber da Jonathan Reichel schon fehlte, war es kaum anders zu machen. Wenn man gedanklich nicht ganz bei der Sache ist, passieren allerdings häufig Rechenfehler, so leider auch diesmal. Im komplizierten Mittelspiel übersah Jörg bei einer taktischen Abwicklung einen Zwischenzug, so dass plötzlich eine Figur weg war. Diese Chance ließ sich der Ulmer Rainer Wolf nicht mehr nehmen. Besser machte es Sohnemann Lauritz Jansen (7) am Nebenbrett gegen Altmeister Viktor Lainburg (Jahrgang 1935). In seinem typischen Cowboy-Stil ließ Lauritz einfach mal den König in der Mitte stehen und attackierte unbekümmert den gegnerischen Monarchen am Damenflügel. Der Berichterstatter verstand die Partie von vorne bis hinten überhaupt nicht, musste sie aber zum Glück auch nicht spielen. Mit 16 Jahren ist man wohl eher noch im richtigen Alter dafür. In der Tat schien Lauritz sich stets wohlzufühlen und brach nach einem Qualitätsgewinn schließlich vollends durch. Tanja Papadopoulou (8) spielte gegen Thomas Hartmann gewohnt unternehmungslustig und erhielt auch eine interessante Stellung, allerdings ging zwischendurch ein Bauer verloren. Danach machte sich die größere Routine des Gegners doch bemerkbar und am Ende war das Turmendspiel nicht mehr zu halten. Trotzdem war es für die erste Verbandsligapartie keine schlechte Vorstellung. Matthias Hönsch (1) lief in eine von Frieder Smolny vorbereite Variante, reagierte zunächst nicht optimal und opferte eher aus der Not heraus eine Qualität. Mit zwei verbundenen Freibauern bestanden aber schon zumindest gute praktische Chancen und nach ein paar Ungenauigkeiten des Gegners hatte Matthias nicht nur fette Kompensation, sondern sogar handfesten Vorteil. Nur war die Stellung eben immer noch ziemlich kompliziert und Matthias traf auch nicht immer das Beste. Das schließlich resultierende leicht schlechtere Endspiel mit Damen und ungleichfarbigen Läufern hätte man nicht unbedingt verlieren müssen, aber in Zeitnot ging die Partie leider noch vollends in die Binsen. Auch nicht besser lief es für Karsten Neurohr (2), der gegen Frank Fleischer zunächst eine gute, strategisch geprägte Stellung aufs Brett bekam, sich aber plötzlich verrechnete und völlig unnötig einen Bauern hergab, anstatt ihn einfach abzutauschen. Dadurch erhielt der Gegner einen Freibauern und gerade dieser erwies sich am Ende als entscheidend. Karsten haderte noch lange mit sich, denn solche Niederlagen durch „unforced errors“ sind immer die ärgerlichsten. 1:4 betrug somit der Rückstand und Matthias scherzte schon, dass man jetzt halt „Fils-Lautern umgekehrt“ hinbekommen müsse. Die Stellungen ließen dies freilich nicht sehr realistisch erscheinen, vor allem weil Bernd Staufenberger (5) in einer hin- und herwogenden Kampfpartie gegen Uwe Gebhardt eher Probleme hatte, überhaupt das Gleichgewicht zu halten. Nach der Zeitkontrolle kämpfte Bernd tapfer weiter, lehnte zunächst auch ein Remisangebot ab, musste sich aber schließlich doch in die Punkteteilung fügen, da er sonst einfach verloren hätte. Kai Schumann (4) war eigentlich derjenige, auf dem lange Zeit die größten Siegeshoffnungen ruhten. Gegen Boris Bernings verkorkste Eröffnung erhielt er eine überwältigende Stellung mit vielen aussichtsreichen Optionen, aber gerade wenn man die Qual der Wahl hat, tut man sich oft schwer. Kai schnappte sich schließlich die Dame für Turm und Leichtfigur, aber der Gegner erhielt dafür ganz gutes Figurenspiel, so dass es nicht einfach zu gewinnen war. In der Zeitnotphase schwand der Vorteil noch weiter und am Ende musste auch Kai sich trotz allen guten Willens ins Remis fügen. Ein schwacher Trost war, dass wenigstens Michael Schwerteck (3) gegen Johannes Bathray noch zu einem Sieg kam, der sich nicht unbedingt abgezeichnet hatte. In einer ruhigen Partie hatte Michael den gegnerischen Druck in der c-Linie durch methodisches Abtauschen neutralisiert, wonach das resultierende Endspiel mit Läufer gegen Springer eigentlich remis war. Der Ulmer wähnte sich jedoch im Vorteil und spielte auf Gewinn, stellte dabei aber nur einen Bauern ein. Nach der Zeitkontrolle war das Endspiel für Michael objektiv gewonnen, bedurfte aber noch einiger Genauigkeit. Mit einem seltsamen, völlig hoffnungslosen Figurenopfer beschleunigte der Gegner allerdings seinen Untergang.
Letztendlich bleiben die Punkte wenigstens in der „Fair zum Erfolg“-Familie. Die Ulmer führen weiterhin die Tabelle an und haben realistische Chancen, in die Oberliga aufzusteigen. Die Königskinder müssen derweil schauen, dass sie ihren Negativtrend stoppen. Noch ist ein Polster da, aber der Klassenerhalt ist noch keineswegs gesichert.