Verbandsliga, 4. Runde: SG KK Hohentübingen– SSG Fils-Lauter 4:4
Deutschland – Schweden light
Irgendwann musste die Serie ja zu Ende gehen. Nach drei Auftaktsiegen gaben die Königskinder gegen Fils-Lauter erstmals einen Punkt ab. Mit dem Ergebnis an sich kann man leben, bedenklich war eher die Art und Weise, wie es zustande kam. Das Spiel war, man kann es schwerlich beschönigen, richtig schlecht, und zwar von beiden Seiten. Nur ein Psychologe hätte beim Zuschauen seine helle Freude gehabt, denn was es an diversen Brettern für mentale Aussetzer zu sehen gab, war schon sehr erstaunlich. Da die Patzerei eigentlich keinen Sieger verdiente, war das Ergebnis gewissermaßen folgerichtig. Dennoch: Wenn man, wie die Königskinder, 4:1 führt (aus welchen Gründen auch immer), sollte man das Ding eigentlich schon irgendwie nach Hause schaukeln. Ähnlich wie in einem gewissen Fußballspiel ging aber plötzlich gar nichts mehr und der Gegner holte Punkt für Punkt bis zum kaum noch für möglich gehaltenen Unentschieden.
Als ob sie den seltsamen Spielverlauf vorausgeahnt hätten, gaben sich Jonathan Reichel (3) und Matthias Hönsch (1) gegen Gerd Holl bzw. Willi Majer lieber mit schnellen Remisen zufrieden. Mehr war auch nicht drin, da Jonathan recht gedrückt stand (fragt sich, warum der Gegner nicht weiterspielen wollte) und Matthias' Partie schnell verflachte. Zwei solide Schwarzremisen also, das war so weit in Ordnung. Es ging auch erst einmal gut weiter. Zuerst gewann Lauritz Jansen (8) seine Partie. In einer weitgehend verrammelten Stellung erarbeitete er sich allmählich Angriffschancen am Königsflügel, aber es sah doch nach einer zähen Veranstaltung aus. Weniger zäh wurde es allerdings, als sein Gegner Franz Escher auf sehr seltsame Weise eine Figur einstellte (Se2, Sxe2, weg das Ding). Offenbar eine Unkonzentriertheit des 81-jährigen Seniors, aber wer in diesem reifen Alter immer noch auf generell ansehnlichem Niveau zu spielen versteht, hat allemal Respekt verdient. Bernd Staufenberger (6) legte mit einem energischen Angriffssieg nach, wenn auch mit verblüffender Kooperation seines Gegners Patrick Linke. Dieser ließ sich im frühen Mittelspiel ohne jede Notwendigkeit zum grässlichen Bauernzug g6-g5 hinreißen, was einfach nur ein Riesenloch auf f5 hervorrief. Bernd ließ sich nicht lange bitten und nistete dort prompt seinen Springer ein. Da die gegnerische Armee überwiegend am Damenflügel herumstand, war der Zusammenbruch nicht mehr fern. Im zweiten Anlauf fand Bernd dann auch ein Matt in zwei Zügen. Jörg Jansen (7) hatte derweil gegen Erich Lankes mit ganz anderen Problemen zu kämpfen, da er nach völlig missratener Eröffnung in eine furchtbar passive Stellung geriet. Bezeichnenderweise schätzt Houdini die Stellung um den 18. Zug herum als völlig verloren ein, obwohl gar nichts Konkretes droht. Ähnlich wie sein Kollege Linke peitschte Meister Lankes allerdings seinen g-Bauern nach vorne, was zwar nicht ganz so verheerend, aber sicher auch nicht optimal war (Problem auch hier: Feld f5 dauerhaft im Eimer). In der Folge konnte Jörg immerhin den frühen Kollaps vermeiden, auch wenn die Stellung eher unerfreulich blieb. Irgendwie verzettelte sich der Gegner aber vollends und krönte dies, indem er im 40. Zug die Zeit überschritt. Damit stand es 4:1, das musste doch irgendwie zum Sieg reichen! Zunächst verlor aber Karsten Neurohr (2) gegen Hans-Peter Holl, was sich schon längere Zeit abgezeichnet hatte. Karsten, mit 3/3 glänzend in die Saison gestartet, bekam zunächst genau seine Vorbereitung aufs Brett und stand einfach etwas besser, leistete sich aber plötzlich einen fürchterlichen und für ihn untypischen taktischen Aussetzer. Er glaubte auf Damenfang spielen und dafür eine Figur stehen lassen zu können, aber der Damenverlust war leicht zu verhindern und die Figur trotzdem weg. Karsten konnte wenigstens noch einen Turm für zwei Leichtfiguren bekommen, aber die Stellung war hoffnungslos und es gab auch keine Überraschung mehr. Für Kenner auch nicht sehr überraschend, da so ähnlich schon zigmal vorgekommen, aber trotzdem richtig bitter war die Niederlage von Michael Schwerteck (4) aus eiffelturmhoher Gewinnstellung heraus. Nach 20 Zügen hatte er seinen Gegner Thomas Erker völlig an die Wand gespielt, besaß eine Mehrfigur und dafür die bessere Stellung. Wer sich für den Rest interessiert, braucht sich eigentlich nur irgendeinen Spielbericht von früher vorzunehmen, es ist ja immer derselbe Käse. Die Sache schien trotz allem ein gutes Ende zu nehmen, denn nach der Zeitkontrolle hatte Kai Schumann (5) gegen Michael Eisele ein zwar leicht unangenehmes, aber doch ziemlich remisverdächtiges Endspiel auf dem Brett. Für den Gegner war eigentlich kein Gewinnplan ersichtlich, aber Kai ist irgendwie der Unglücksrabe der Saison, was sich schon allein dadurch zeigt, dass er ständig mit Schwarz spielen muss. Anstatt einfach still zu halten, verlor er plötzlich die Nerven und führte eine Strukturveränderung herbei, die eindeutig nachteilig war. Irgendwo muss ein riesiger Blackout im Spiel gewesen sein, da der Gegner mit äußerst naheliegenden Zügen einen Bauern gewinnen und dabei auch noch seine Stellung aktivieren konnte. Die Verwertungsphase sah zwar nicht sonderlich souverän aus (sonst hätte es auch schlecht zum Match gepasst), aber am Ende reichte es für Fils-Lauter, wonach vor allem das Wort „unglaublich!“ in aller Munde war.
Ingesamt war der Spieltag aber gar nicht so schlecht. Zumindest vorläufig steht Hohentübingen sogar wieder an der Tabellenspitze, da Weiße Dame Ulm gegen Tübingen mit 3:4 hinten liegt. Der Tübinger Christoph Frick, der an der Senioren-WM teilnimmt, darf seine Partie nachholen und hat den Vorteil, genau zu wissen, dass ihm ein Remis reicht. Ziemlich unsinnig, dass es diese Möglichkeit gibt; zum Glück wird die wettbewerbsverzerrende Regel beim nächsten Verbandstag aller Voraussicht nach abgeschafft.