Turnierergebnisse

 

Hier sollen künftig Ergebnisse und Berichte von Turnieren mit „Hohentübinger Beteiligung“ abgedruckt werden, also Vereinsturniere oder Opens, die nicht auf Jörgs Jugendseiten abgehandelt werden.

 

09.-12.05.2008: Reutlinger Open (Bericht von Andreas Estedt und Jörg Jansen)

Das RT-OPEN aus Estedt'scher Sicht

Unter keinem guten Stern stand das diesjährige RT-OPEN für Elisabeth und Jonathan. Eine Woche Darmvirus machte zumindest Elisabeths Teilnahme bis Freitagmorgen fraglich. In Runde eins kam ohnehin der erwartet übermächtige Gegner. Doch danach spielte Elisabeth ihr mit Sicherheit bestes Turnier überhaupt. Während die beiden Siege in den Runden 4 und 6 quasi fest einkalkuliert waren, lagen vor allem die 4 restlichen Verlustpartien weit über dem Niveau, auf dem sie bisher spielte. Leider hatte sie das Pech, dass ihre Gegner jeweils ihre DWZ 1450 bis 1700 wirklich wert waren, so dass Elisabeths gutes Spiel im Endeffekt nicht durch zählbare Erfolge belohnt wurden. Wenn sie dieses Level bestätigt, wird sie beim nächsten Turnier mit etwas mehr Losglück mit Sicherheit die verdiente Ernte einfahren.

Jonathans Erstrundenniederlage war von der Papierform zwar nicht überraschend, doch die Art, wie sie nach gut 3 Stunden ausgeglichenen Spiels zustande kam, löste eine gewisse Verunsicherung aus. Die körperliche Abgeschlagenheit war auch beim etwas zähen Sieg in Runde 2 zu spüren, Runde drei war dann allerdings gar nicht lustig. Viel zu respektvoll agiert und dann gepatzt: die zweite Nullnummer. Die Ruhepause durch den kampflosen Sieg in Runde 4 und ein kleiner mental-chirurgischer Eingriff brachten die Wende: Runde 5 bescherte den mit allen Wassern gewaschenen Ch. Schulz – es entwickelte sich eine Nervenschlacht. Der geopferte weiße Schulz-Turm (für 2 Bauern) schien nur bei flüchtigem Hinsehen ein deutlicher Vorteil für Jonathan zu sein. Der Turm musste wieder zurückgegeben werden, der Druck auf den schwarzen König ist äußerst unangenehm. Doch Jonathan entwickelt immer mehr den Ruf eines nervtötenden „Herauswurschtlers“. In der längsten Partie des Abends will Schulz dann nicht mehr, gibt Dauerschach – Remis. Runde 6 brachte mit Dr. Liebert einen Kreisklassen-Vorderbrett-Topscorer – ein interessanter Vorgeschmack auf die kommende Saison. Jonathan hatte ihn jederzeit unter Kontrolle, eine beiderseits solide Partie führte wiederum ins Remis. Jetzt drohte bei einem letzten Sieg sogar ein Ratingpreis, denn die Blitzstarter-Konkurrenz schwächelte immer mehr. Der Gegner – ein zäher Hund, mit dem auch unser FM Matthias schon Bekanntschaft machte. Mit Schwarz gerät Jonathan leicht unter Druck, das Spiel zieht sich in die Länge und die Konkurrenz wankt und fällt. Diesen Druck scheint J. regelrecht zu suchen. Wie oft schon in der Saison ist er dann richtig heiß gelaufen, wenn keiner mehr so richtig auf ihn wetten wollte. Nachdem der Druck abgeschüttelt ist, darf er das spielen, was er so gerne spielt: unübersichtliche Endspiele, am besten mit schwer zu berechnenden Springerrouten. Kurz: Jonathan gewinnt das Spiel und zwei Rating-Kategorien. Glück? Sein Glück ist, dass er als „Beißer vor dem Herrn “ mit einem Kampfeswillen ausgestattet ist, der ihn immer an seine Chance glauben lässt.                            (Bericht von Andreas Estedt)

Auch Lauritz Jansen spielte ein hervorragendes Turnier. 3.5 Punkte aus 5 Partien gegen fast durchweg nominell stärkere Gegner (nur in Runde 2 wartete ein leichterer Gegner) kann sich sehen lassen.  Und 4 Punkte waren locker drin, denn seine Remispartie in Runde 3 war einzügig gewonnen...Ein Rating- oder Jugendpreis winkte schon. Aber es hat nicht sollen sein. Der Wermutstropfen war, dass er das Turnier zu seinem Verdruss aus privaten Gründen (er flog am Montag nach London - in meinem Kalender stand blöderweise Dienstag) nicht zu Ende spielen konnte. Auch Katja Ustyuzhanina überzeugte auf ganzer Linie. Ihrer taktischen Durchschlagskraft fielen selbst gestandene Vereinsschachspieler zum Opfer. Der Ratingpreis bis 1399 DWZ war der Lohn. Bek Shakirov gefiel nicht nur durch seine stets gute Laune, auch schachlich konnte er immer wieder überraschen. Der Dritte im Bunde der Königskinder ohne DWZ (manch Außenstehende argwöhnten bereits, die Königskinder würden absichtlich ihre DWZ verheimlichen, um die Ratingpreise einzuhamstern, denn so stark könne man doch nicht ohne DWZ spielen?! Aber das gute Training und der motivierende Spielabend lässt eben die Spielstärke relativ schnell steigen) war Andreas Birkner. Andreas ließ vor allem am Anfang des Turniers seine enorme Spielstärke aufblitzen, als er z.B. den gefährlichen Tübinger Christian Schulz nach einem optimistischen Figurenopfer in einem komplexen Endspiel niederrang. Zum Ende des Turniers machte ihm seine mangelnde Kondition zu schaffen, so dass er zu seinem Ärger einige Partien noch unnötig wegwarf. Aber wenn er regelmäßig Turnierpartien spielen wird, dann wird von Andreas noch einiges zu erwarten sein. Auch unser kooptiertes Königskind Steffen Kohler demonstrierte seine gewachsene Spielstärke. Wenn er jetzt auch noch mit seinem neuen Handy vertraut wird (obwohl er sich sicher war, es ausgeschalten zu haben, klingelte das blöde Ding während der 3. Runde, als Steffen nur noch wenige Züge bis zum Matt hatte), dann wird er auch die Ernte seines guten Spiels einfahren. So konnte er trotz des Missgeschicks seine Zahl fast halten, aber nicht verbessern. Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass das hervorragend organisierte Turnier (alle Endstände gibt es hier) für die Königskinder in guter Erinnerung bleiben wird. Erwähnenswert wäre noch, dass die Königskinder bei den anderen Turnierteilnehmern durch ihren Spass und ihren netten Umgangston untereinander auffielen - so muss es sein!!                                     (Bericht von Jörg Jansen)

Rg.

Reutlinger Open (74 TN)

 

 

 

1.

Frank Zeller

Schwäbisch Gmünd

6.0

30.5

2.

Ufuk Tuncer

HP Böblingen

6.0

28.5

3.

Josef Gheng

HP Böblingen

6.0

27.5

29.

Jonathan Estedt

SG KK Hohentübingen

4.0

19.0

26.

Steffen Kohler

SV Stockenhausen-Fr.

3.5

21.5

40.

Katja Ustyuzhanina

SG KK Hohentübingen

3.5

19.5

44.

Lauritz Jansen

SG KK Hohentübingen

3.5(/5)

14.5

56.

Bek Shakirov

SG KK Hohentübingen

3.0

16.5

60.

Andreas Birkner

SG KK Hohentübingen

2.0

22.5

67.

Elisabeth Estedt

SG KK Hohentübingen

2.0

18.0

09.09.2007: 8. Kurt-Rothmund-Gedächtnisturnier in Ammerbuch (7 Runden, 25 min.) (Bericht von Simon Jacobi)

1. GM Zigurds Lanka 6,5/7; 2. IM Frank Zeller 5,5; 3.-6. FM David Ortmann, FM Harald Keilhack, Alexander Streck, Renato Bajer je 5; 7.-9. Hans-Peter Remmler, Heinrich Uhlig, Michael Schwerteck je 4,5; .... 19. Simon Jacobi 3,5 (insgesamt 34 Teilnehmer)

Nachdem ich aus Mainz sehr Schach-motiviert zurückgekommen war – was die Großmeister dort machten sah so einfach aus – beschloss ich, beim Ammerbucher Kurt-Rothmund-Gedächtnisturnier mitzuspielen. Meine letzte Teilnahme lag mehrere Jahre zurück; damals war ich noch mit dem Fahrrad angereist und das Turnier fand in Poltringen im Gasthof “Adler” statt. Ich erinnere mich nur noch, dass ich in der ersten Runde gegen einen starken Gegner gut spielte und unglücklich verlor, im weiteren Turnierverlauf meine zweite Partie gegen das bald darauf tragisch verunglückte Jungtalent Marc Becker verlor. Wie ich am Ende dastand, weiß ich nicht mehr.

Obwohl die Generalprobe am Donnerstag Abend gegen Jörg und Lauritz mit 0 aus 6 eher bescheiden ausfiel, machte ich mich am Turniertag recht ambitioniert auf ins Bürgerhaus von Altingen und traf 9:45 pünktlich zum Meldeschluss ein, kurz nach mir dann auch noch zu meiner Freude zwei weitere Königskinder, namentlich Heiner und Michael. Letzterer erklärte mir auf meine erstaunte Rückfrage bezüglich seines Ankommens nach Meldeschluss, dass die Kulanz der Ammerbucher in diesem Punkt bekannt sei. Wie wahr, denn als später noch zwei Spieler eintrafen – die Paarungen der ersten Runde wurden gerade vorgelesen! – integrierte man die Nachzügler ohne großes Aufsehen noch ins Turnier. Einmalig war auch die nette Atmosphäre in den Räumlichkeiten (schöne Aussicht und ein Stock tiefer das U12 Turnier und Essensverkauf), auch unterstützt und verstärkt durch Manfred Köhler, der souverän und lustig durch den Tag führte.

Rein schachlich war das Turnier gut besetzt, mit GM Lanka und IM Zeller als Hauptfavoriten, aber auch dahinter folgten mit zwei FMs und einigen Spielern mit mehr als 2000 DWZ durchaus starke Gegner (für mich). Diese Reihenfolge fand sich auch am Ende ziemlich identisch in der Abschlusstabelle wieder. Ich selbst war an 21 gesetzt, Heiner und Michael im vorderen Bereich.

Der Turnierverlauf war sehr wechselhaft. Während zur Pause nach drei Partien Michael die Tabelle mit 3 aus 3 anführte und auch Heiner und ich mit 2 aus 3 noch sehr aussichtsreich agierten, änderte sich das nach der Pause. Das Essen war sicher nicht Schuld, denn sowohl Gulaschsuppe als auch selbstgemachter Kuchen mundeten vorzüglich. Während Michael und ich ungefähr im Gleichschritt nur ein Remis aus den nächsten 3 Partien holten und die letzte Runde je gewannen, konnte Heiner durch eine starke Vorstellung dann in der letzten Runde sein persönliches Ziel erreichen und gegen GM Lanka spielen, gegen den er letztendlich aber unterlag. So liefen wir drei am Ende alle ungefähr unseren Setzplätzen entsprechend ins Ziel ein.

Mir persönlich machte es viel Spaß, nach so langer Zeit mal wieder richtig Schach zu spielen. Meine beste Partie spielte ich wohl in der 3. Runde gegen den am Ende 6. Renato Bajer. Nachdem schnell viel getauscht war konnte ich im Endspiel mit Turm und Springer die einzige offene Linie in Besitz nehmen und meine Stellung langsam zum Gewinn ausbauen. Gegen zwei andere Spieler mit deutlich höherer DWZ stand ich klar auf Gewinn, aber leider reichte dann zwei mal die Zeit nicht, um den Punkt einzufahren. Im Gegenzug verlor ich auch verdient gegen einen eher schlechteren Gegner nach drucklosem, überheblichem Spiel meinerseits.

In jedem Fall werde ich versuchen, in nächster Zeit mehr Schnellschach-Turniere zu spielen und vielleicht mit wieder mehr Erfahrung auch besser abschneiden. Ammerbuch kann man nur weiter empfehlen, geographisch nah, atmosphärisch schön und schachlich anspruchsvoll. Bis nächstes Jahr.

 

02.09.2007: WEM, 8. und 9. Runde

(Anm.: Eine überarbeitete Version des Blogs mit zahlreichen Partien findet sich in den Schachblättern Nr. 4 -> „Download“)

Nachdem gestern keine Zeit blieb, heute nun die letzten beiden Runden im Doppelpack.

8. Runde: Im Meisterturnier sorgte Matthias für den Knüller des Tages, nein, des ganzen Turniers! Nachdem bis dahin für ihn nicht allzu viel zusammenlief, ließ er es gegen Jens Hirneise richtig krachen. 16...Dxc3!!! ist der absolute Hammer. Die Kiebitze gingen von einer Dauerschachkombi aus, doch weit gefehlt, Matthias zog eiskalt (mit einem lumpigen Springer für die Dame!) 23...Tac8!! Die Stellung danach ist faszinierend: Schwarz setzt weder forciert matt, noch gewinnt er nennenswertes Material, er hat einfach positionelle Kompensation für die Dame, denn das Zusammenspiel seiner Figuren ist die pure Augenweide. Der sichtlich beeindruckte Jens Hirneise fand keine vernünftige Verteidigung; es war auch unheimlich schwer zu spielen. Man beachte aber noch Matthias' weitere Kraftzüge 27...e5! und 29...Lh6! Wenn man diese herrliche Partie sieht, kann man sich nur fragen, warum Matthias sonst so vorsichtige strategische Eröffnungen spielt.

Die von Matthias kommentierte Partie gibt es hier

Diese Runde brachte noch weitere Glanzpartien: Auch sehr schön (26...Txf2!!) und zudem sportlich sehr wichtig war Holger Namyslos Schwarzsieg gegen Christoph Mäurer. Olaf Schmidt vollbrachte eine nette Miniatur gegen Oliver Rothfuß. Bitter lief es dagegen für Boris, der gegen Thilo Kabisch zu lange auf Gewinn spielte und schließlich sogar noch verlor. Damit waren die Chancen auf die Titelverteidigung leider schon passé.

Meine Partie im Kandidatenturnier war nicht wirklich der Rede wert. Nach lascher Eröffnung meines Gegners wollte ich mit dem „interessanten“ Manöver Sd7-c5 die Schwäche des Feldes d3 ausnutzen, hatte dabei aber ein wenig die Anfälligkeit meines Bauern e5 (nach Ld5, Sc4) unterschätzt. So war ich dann doch ein wenig erleichtert, dass das starke 11.b4! (bringt die Möglichkeit b4-b5 ins Spiel) von einem Remisangebot begleitet wurde. Da wollte ich dann lieber nicht das Schicksal herausfordern. Von Martin Schoof musste ich mich zwar hernach als „Feigling“ beschimpfen lassen (nicht ganz ernst natürlich), aber in diesem Fall war eher mein Gegner der „Schuldige“. Die Stellung gibt halt wenig her für Schwarz. Für Furore sorgte vor allem Adnan Hadziselimovic, der dem gut 350 DWZ-Punkte kräftigeren Winfried Haist die Puppen um die Ohren fliegen ließ. Allmählich wurden ihm seine Erfolge selbst unheimlich...

Im Frauenturnier schien Sabine mit einer Mehrfigur einem sicheren Sieg entgegenzusteuern, zeigte dann aber eine schwache Technik und machte sinnlose Bauernzüge, statt die Figurenstellung zu verbessern. Sicherlich ist auch die Schlussstellung noch gewonnen, aber irgendwie war der Faden wohl gerissen.

Am Abend gab es dann Training mit GM Lanka – wie stets eine ebenso hochklassige wie unterhaltsame Veranstaltung. Lankas Stil kam bei den Schachfreunden bestens an. Vielleicht wurden ja auf diese Weise neue Interessenten für die Trainingsreihe gewonnen. Thema des Abends war diesmal die Analyse ausgesuchter Partien des Turniers. Toll, was Lanka alles an Verknüpfungen und strategischen Feinheiten herausarbeitete. Es war von fast allem etwas geboten: Vergleich von Königsindisch mit Moderner Verteidigung, die Kunst, den König richtig zu platzieren, Tipps gegen „Aljechin“, grundlegende Ideen im „Sweschnikow“, taktische Glanzlichter, dazwischen immer wieder kleine Witze und Anekdoten – einfach großes Kino. Lanka war übrigens auch ganz begeistert von Matthias' Partie und meinte, diese hätte ganz klar einen Schönheitspreis verdient.

9. Runde: Im Meisterturnier war nochmal Hochspannung geboten. Holger Namyslo, der eigentlich fast schon „durch“ schien, geriet gegen Rudolf Bräuning in immer größere Schwierigkeiten, während sein Konkurrent Andreas Reuß am Nebenbrett Christoph Mäurer überspielte. Tatsächlich zog Reuß dann noch nach Punkten gleich, ebenso nach Buchholz, aber die Buchholzsumme (!) sah Namyslo vorne. Eine wahrlich hauchdünne Entscheidung, aber wohl verdient, hatte der Biberacher doch auch das direkte Duell gewonnen. „Bronze“ sicherte sich Boris durch einen seiner typischen Positionssiege gegen Hans-Peter Remmler. Platz 3 mit 6/9 ist eine tolle Leistung, dennoch wird Boris wahrscheinlich noch ein wenig seinen verpassten Chancen nachtrauern. Matthias, der Held des Vortages, musste sich leider mit einer Niederlage aus dem Turnier verabschieden. Gegen Tobias Hirneise traute er sich keinen erneuten Drachen, sondern strebte mit der „Fort-Knox-Variante“ nach Solidität. So ganz befriedigend war die Geschichte aber nicht und nach dem verfrühten Befreiungsversuch 19...e5? ging die Partie dann Schritt für Schritt den Bach runter. Vom Jungtalent sauber gespielt, auch wenn Matthias in dieser Partie nicht Normalform erreichte.

Im Kandidatenturnier gelang mir Gott sei Dank der dringend ersehnte Sieg. Besonders schwer war es nicht. Mein Gegner Immanuel Hittinger war natürlich ein alter Bekannter; bei Bebenhäuser Vereinsturnieren haben wir schon x-mal gegeneinander gespielt. Ich vermute, dass die heutige Partie psychologisch schiwerig für ihn war, denn er hat sich zwar in letzter Zeit stark verbessert und kann auch gegen „2000er“ schon gut mithalten, aber gegen mich steckten vielleicht noch die vielen Niederlagen von früher im Hinterkopf. Jedenfalls bekam er kein Bein aufs Brett.

Vorne sicherte „BMW“ mit einem Remis seinen Turniersieg ab. Sein dynamisches, giftiges Schach hat diesmal sehr gut funktioniert, da kann man nur gratulieren. Sein Königsindisch-Sieg gegen M. Seyrich beispielsweise hat auch Lankas Wohlgefallen gefunden. Der geheime Held des Turniers aber heißt Adnan Hadziselimovic. Dieser verlor zwar seine letzte Partie, aber dennoch reichte es dank der guten Buchholz-Wertung für einen Platz im nächsten Meisterturnier! Für einen Spieler mit DWZ 1687 ein herausragender Erfolg. Ich gönne ihm dieses Ergebnis von Herzen und bin nun gespannt, ob die Leistungssteigerung dauerhafter Natur ist.

Im Frauenturnier gingen Sabine gegen Nadine Stitterich mit einem übermütigen Turmopfer zwischenzeitlich die Gäule durch, aber dann gewann sie irgendwie das Material mit Zinsen zurück und am Ende hätte sie eigentlich getrost noch ein wenig stochern können.

Fazit: Es war ein schönes Turnier, das mir (und wohl auch den anderen Teilnehmern) großen Spaß gemacht hat. In der Tü-Arena würde ich jederzeit wieder spielen (zumindest, wenn es keine Bauarbeiten gibt). Dem SV Tübingen und allen Organisatoren und Helfern kann man für ihre ausgezeichnete Arbeit nicht oft genug danken. Positiv war auch die ausführliche Berichterstattung in der Lokalpresse. Das Turnier zog große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit auf sich, nicht nur waren zahlreiche Kiebitze vor Ort, sondern auch Menschen, die mit Schach sonst nichts am Hut haben, sprachen mich immer wieder darauf an und verfolgten das Geschehen. Solche Events bringen unseren Schachsport weiter.

Sportlich gesehen hätte es für uns Königskinder besser, aber auch schlechter laufen können. Matthias wird mit seinem Gesamtergebnis nicht ganz zufrieden sein, aber allein wegen der „Unsterblichen“ gegen Jens Hirneise hat sich das Turnier schon gelohnt. Sabine hätte auch den einen oder anderen halben Punkt mehr holen können; die dafür nötige Cleverness wird sie sich bestimmt noch mit der Zeit aneignen. Mein eigenes Ergebnis fand ich im Großen und Ganzen okay, auch wenn man als DWZ-Favorit natürlich mit dem Turniersieg liebäugelt. Dafür gab ich ein paar Remisen zu viel ab; es kann halt nicht jeder einen Lauf haben wie „BMW“. Ich war ein wenig überrascht, wie viele mir einen lockeren Turniersieg zutrauten oder dies sogar erwarteten. Hey Leute, ich bin nicht gerade im Saft und die anderen können auch ein bisschen Schach spielen. Immerhin die Qualifikation fürs Meisterturnier 2008 geschafft und 100 Steine abgestaubt, da gibt es Schlimmeres. Ob ich beim Meisterturnier tatsächlich mitspiele, steht noch in den Sternen. Ich muss mich notgedrungen in nächster Zeit ein wenig ausklinken und verstärkt Jura üben. Im Rahmen meiner Möglichkeiten versuche ich, ein paar A-Klassen-Spiele zu machen und ein bisschen Training zu geben. Seriöses Turnierschach (hoffentlich trete ich keinen A-Klassen-Spielern zu nahe) gibt es wohl frühestens in einem Jahr wieder. Hach, ich werde es vermissen...

 

31.08.2007: WEM, 7. Runde:

Aus Zeitgründen wieder ein etwas kürzerer Bericht. Von großen Heldentaten ist sowieso nicht zu erzählen. Im Meisterturnier verpasste Matthias die Chance, sich auf 50 Prozent hochzuarbeiten. Nach zu harmlos geratener Eröffnung war wohl nicht mehr als Remis drin. Vorne bleibt es nach Namyslos Sieg gegen Reuß spannend. Boris ist nach seinem Remis gegen Bräuning immer noch im Geschäft. Spektakulär verlief die Partie HeinlKabisch. So eine Bauernlawine ist immer hübsch anzusehen.

Im Kandidatenturnier konnte ich auch nicht mehr als ein Weißremis fabrizieren. Von der Papierform her sah meine Aufgabe leicht aus, aber Adnan spielt bis dato das Turnier seines Lebens und bereitete mir auch schon beim Bade-Cup Kopfzerbrechen. Sein Spielstil (hinten rein stellen und auf Konter lauern) liegt mir nicht besonders. Seine heutige Eröffnung wirkte auf mich reichlich dubios, aber eine konkrete Widerlegung zu finden, erwies sich als alles andere als leicht. Die ganze Abwicklung, die sich in der Partie ereignete, war trotz der Schwäche e6 nicht der Brüller für mich. Irgendwie musste mehr drin sein; der Computer findet ein paar spitzfindige Ideen, die ich noch nicht genau geprüft habe. Nach 18.0-0?! bekam ich sogar schon Probleme, die sich nach dem Katastrophenzug 20.a3?? (Tiefschlaf) noch weiter auswuchsen. Gut möglich, dass das Endspiel für Schwarz technisch gewonnen war, aber Adnan fand zum Glück keinen vernünftigen Plan. Vielleicht kann man das bei Gelegenheit im Jugendtraining analysieren. Etwas beruhigend ist für mich übrigens, dass meine Eröffnungsidee 6.Df3 offenbar kein Blödsinn ist, da u.a. Bobby Fischer auch schon so gespielt hat.

Im Frauenturnier musste Sabine eine weitere Niederlage einstecken. Die Notation liegt mir wieder mal nicht vor, dafür weiß ich jetzt ungefähr, was gestern vorgefallen ist. In offensichtlicher Remisstellung waren beide Spielerinnen in großer Zeitnot („sudden death“!), wobei Sabine eigentlich noch etwas mehr Zeit hatte. Unverständlicherweise reklamierte Larissa Erben kein Remis und Sabine nahm dies zum Anlass, sie über die Zeit heben zu wollen (auch nicht die feine englische Art). Letztlich zog unsere Neue aber selbst zu langsam, so dass sie es war, die auf Zeit verlor. Keine gänzlich ungerechte Wendung des Schicksals, zumal Sabine die ganze Partie über mit dem Rücken zur Wand stand.

 

30.08.2007: WEM, 6. Runde

Hat man an höherer Stelle meine Stoßseufzer erhört? Jedenfalls war heute ein Tag ganz nach meinem Geschmack: Weniger Lärm, Matthias gewinnt, Boris gewinnt, HSV gewinnt, ich gewinne. Aber der Reihe nach: So allmählich trennt sich die Spreu vom Weizen. Im Meisterturnier ist GM Schmittdiel nach einer Niederlage gegen Namyslo wohl aus dem Titelrennen ausgeschieden. Alleine in Führung liegt Andreas Reuß, der Fricks Moderne Verteidigung auseinandernahm. Boris steckte seine Niederlage von gestern gut weg und hielt mit Schwarz Jungmeister T. Hirneise nieder. Die Titelverteidigung ist also immer noch im Bereich des Möglichen. Matthias konnte heute seinen ersten Sieg einfahren. Habe ich jemals die Französische Verteidigung kritisiert? Heute sah die Eröffnung ganz prima aus. Der vielgescholtene weißfeldrige Läufer war eine Macht, die weiße Bauernstruktur war zerrüttet und der zentralisierte König überlebte nicht lange. Sicherlich hat Klaus Webers suboptimale Eröffnungsbehandlung auch mitgeholfen, aber so ein Sieg tut ganz gut und gibt Matthias hoffentlich den nötigen Auftrieb für weitere Erfolge.

Im Kandidatenturnier konnte ich nach einigen Höhen und Tiefen meine Partie gegen Elke Sautter erfolgreich gestalten. Mit 4...Ld6!? und 10...Sg4!? versuchte ich etwas Würze ins dröge Vierspringerspiel zu bringen, was aber auch ins Auge hätte gehen können. Wie die Analyse zeigte, sind die Komplikationen nach 11.Sxc6 letztlich günstig für Weiß, was aber am Brett nicht so leicht zu durchschauen war. Nach dem unerwarteten11.Sf5!? war ich erst mal etwas perplex, aber es zeigte sich, dass ich das Figurenopfer annehmen konnte, auch wenn es sehr gefährlich aussah. Winfried Haist schlug in der Analyse noch das sehr originelle 15.Df3 Se5 16.Df5+!?! vor, was aber auch nicht ganz reichen sollte. Nachdem ich mich konsolidiert hatte, stand ich eigentlich total auf Gewinn. Statt dann aber elegant mit Lb6-d8-h4 den verirrten Turm abzuholen (Elke hatte das gleich gesehen), fing ich an, oberflächlich zu spielen und vergaß dann auch noch vollkommen den vorgepreschten Bauern h4. Bei drei (na ja, zweieinhalb) Bauern für die Figur war die Sache dann gar nicht mehr so klar, so dass ich mehr als erleichtert über das schreckliche 39.h4+? war. Elke hatte hier einen Blackout und vergaß, dass mein König nach h5 gehen kann. Selbst so war es noch eine erstaunlich knappe Angelegenheit und beim abschließenden Wettrennen hätte ich kein einziges Tempo weniger haben dürfen.

Im Frauenturnier verlor Sabine gegen die starke Larissa Erben, was natürlich kein Beinbruch ist. Ich habe von der Partie fast nichts gesehen und die Notation liegt mir z.Zt. nicht vor. Kommentare hierzu also eventuell später.

 

29.08.2007: WEM, 5. Runde

Sorry für die verspätete Berichterstattung – es galt gestern Abend noch, den Kummer zu ertränken (und Fußball zu gucken). Anlass genug gab es dafür, denn es lief übel, einfach zum Heulen. Man muss auch sagen, dass die Spielbedingungen zeitweise katastrophal waren. Stundenlang (bis meine Partie zu Ende war!) wummerten die Presslufthämmer vor der Haustür, wie soll man da klar denken? Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Fehlerquote erschreckend hoch war und viele Partien unberechenbar hin und her kippten. Unter diesen Bedingungen kann man die Partien auch durch Münzwurf entscheiden. Matthias und ich hatten leider beide das schlechtere Ende für uns, was von den Spielverläufen her nicht unbedingt verdient war. Matthias schien auf einem guten Weg, seinen ersten Sieg einzufahren, denn am Damenflügel drohte Jürgen Roth der Zusammenbruch, während sich das Gegenspiel am Königsflügel eigentlich in überschaubaren Grenzen hielt. Nach dem präzisen 22.Sf1! (und falls 22...Dg5 23.Se3) wäre Schwarz mehr oder weniger pleite gewesen. Aber es war halt nicht der Tag für Feinheiten und wie es dann oft so ist, reiht sich an eine Ungenauigkeit die nächste und auf einmal liegt die einst so schöne Stellung in Trümmern.

Bei mir lief es relativ ähnlich: Ich hatte nach ein paar Jahren Abstinenz mal wieder mit 1.e4 aufgeschlagen, da die Aljechin-Abtauschvariante für Schwarz eine etwas traurige Angelegenheit ist. Auch wenn ich meinem Gegner mit dem Tausch auf g6 etwas unnötig vage Gegenchancen auf der h-Linie eröffnete (Dzindzichashvili u.a. spielten sofort 13.c5), schien es eine instruktive Positionspartie zu werden: Die Schwäche d4 wird lehrbuchmäßig öfter überdeckt als eigentlich nötig, so dass jede Figur bei Bedarf ziehen kann, taktische Mätzchen am Königsflügel sollten zu verhindern sein und der Bauer a5 ist ein Kind des Todes. Allerdings driftete ich allmählich einer Zeitnot entgegen, da „BMW“ ein Affentempo vorlegte und ich den Stellungstyp nur vom Hörensagen kannte. Etwas ungeduldig und entnervt entnahm ich dann zu früh den a5, der eh nicht weglief, anstatt z.B. mit Sc3-d1-f2 die Stellung weiter zu stabilisieren. Auf einmal tauchte dann mit Sxg2 doch eine konkrete Drohung auf und ich verlor irgendwie die Nerven. Der abschließende Einsteller war natürlich etwas peinlich. Zu meiner Verteidigung kann ich nur vortragen, dass andere zum Teil noch übler patzten. So wurde etwa die Partie am Spitzenbrett sehr merkwürdig eingestellt und ein paar Bretter weiter verlor mit Gerhard Schuster ein durchaus solider Spieler auf unfassbare Weise ein klar besseres Turmendspiel.

Auch Boris musste heute gegen Christoph Frick seine erste Niederlage einstecken, auch er reichlich unnötig. Nach Fricks Bauernvorgabe in der Eröffnung lief die Sache zwar etwas aus dem Ruder, aber mit 40.fxe3 wäre immer noch ein Remis drin gewesen. Nach 40...Df2 41. Db8+ ist es Dauerschach.

Bei allem Übel gab es aber doch noch einen Lichtblick: Sabine Abb, die schon teilweise bei uns das Mädchentraining übernahm, tritt im Frauenturnier für Hohentübingen an und hat sich nun entschlossen, auch für uns in der Mannschaft zu spielen. Eine willkommene Verstärkung. Nach etwas abenteuerlichem Verlauf gewann Sabine übrigens auch ihre Auftaktpartie gegen die Tübingerin Petra Bührle.

28.08.2007: WEM, 4. Runde

Die heutige Runde wurde aufgrund grässlichen Baulärms direkt vor dem Spiellokal unter verschärften Bedingungen gespielt. Es ist wirklich nicht einfach, sich auf eine komplizierte Schachpartie zu konzentrieren, wenn es die ganze Zeit rattert und dröhnt. Dennoch wurden die meisten Partien ausgekämpft. Im Meisterturnier setzt sich Boris weiter bestens in Szene. Heute servierte er überraschend einen Sizilianer (zum ersten Mal?), erhielt nach Holzhäuers scheußlichem 10.Sa3? sehr angenehmes Spiel und gewann ziemlich locker. Andreas Reuß hielt mit einem sauberen Positionssieg gegen Thilo Kabisch Schritt. Matthias wurde Opfer der ansteigenden Formkurve von Eckhard Schmittdiel. Die Eröffnung lief schon nicht ganz nach Plan; 7.Da4 ist wohl einfach ein Tempoverlust, da es ...b5 nur vorübergehend stoppt. In bereits anrüchiger Stellung war nach dem Aussetzer 27.Sd2? sofort Schluss. Die Partie des Tages war aus meiner Sicht die Begegnung Weber – Bauer, in der Schwarz für sein extrem risikofreudiges Spiel letztlich belohnt wurde.

Im Kandidatenturnier traf ich mit Maximilian Seyrich auf einen aufstrebenden Jungspund. Eine etwas unangenehme Aufgabe, denn diese Burschen sind meist besser als ihre aktuelle Wertungszahl. Nach dem Geeiere von gestern war mir heute nach etwas mehr Pepp zumute, so dass ich mich für das Wolga-Gambit entschied, zur Freude der Lanka-Hörer aus Ammerbuch. Es wurde eine theoretisch gehaltvolle Partie; bei Gelegenheit muss ich Lanka fragen, was er dazu meint. Nach 13.e5!? war ich leider schon „out of book“ (meist spielt Weiß ruhiger mit h3), mein Gegner allerdings auch. Längere Zeit überlegte ich an 13...Sg4!?, brachte es aber nicht richtig zum Funktionieren. Inzwischen habe ich entdeckt, dass u.a. Kasparow und Petrosjan schon so gespielt haben, wenn auch nicht die Weltmeister, sondern ihre IM-Namensvetter Sergej bzw. Suren. Der Witz ist, dass Schwarz nach 14.e6 fxe6 15.De2 mit 15...Sde5! in der Partie bleibt. Meine Fortsetzung war im Prinzip auch in Ordnung, gab aber im Gewinnsinne nicht so viel her. Vielleicht hätte ich, wie es der ukrainische IM (jetzt GM) Juri Kryvoruchko tat, mit 19...Lg7 (ja, bis dahin alles schon dagewesen) die Spannung aufrechterhalten sollen, aber objektiv ist die Lage auch dann etwa im Gleichgewicht. In der Partie verblieb Weiß mit einem Mehrbauern, was aber durch meine aktiven Figuren kompensiert wurde, so dass sich mein Gegner auf eine Zugwiederholung einließ. Eine ordentliche Partie von beiden Seiten, aber allmählich muss ich mal wieder voll punkten, wenn ich vorne dran bleiben will. Ich kann nur hoffen, dass der Lärm bald aufhört, denn so macht die Sache nur halb so viel Spaß.

 

27.08.2007: WEM, 3. Runde

Ein weiterer aufregender Tag mit vielen Kampfpartien geht zu Ende. Es ist nicht immer hochklassig, was die Teilnehmer zu bieten haben, aber spannend ist es allemal. Oft kommt es zu unerwarteten Wendungen. Den Vogel schoss heute im Meisterturnier die Partie Kabisch – Roth ab. Mit einer Minusfigur und nur noch wenigen Sekunden für ca. 10 Züge schien der Weiße auf hoffnungslos verlorenem Posten zu stehen, kämpfte aber weiter wie ein Löwe. Meister Roth war dadurch offenbar so beeindruckt, dass er seine eigene Uhr völlig vergaß und seine zunächst reichlich vorhandene Bedenkzeit einfach ablaufen ließ. Der Hinweis des Schiedsrichters hierauf kam für beide (!) Spieler völlig überraschend.

Am Spitzenbrett hätte Boris mit einem Sieg gegen Andreas Reuß beinahe eine weitere Heldentat vollbracht. Doch in Zeitnot strauchelte er leider haarscharf vor dem Ziel; nach einfach 38.Dxd6 hätte Reuß aufgeben können. Stattdessen kam es kurz darauf zum Dauerschach.

Matthias musste heute mit Schwarz gegen Josef Gabriel antreten, einen absolut unberechenbaren Spieler, der sich zwischen Genie und Wahnsinn bewegt. Ein gerne erzählter Witz ist, dass sein Sohn, GM Christian Gabriel, das Talent von der Mutter habe. Heute wählte er einen überraschend ruhigen Aufbau, den Matthias selber gerne mit Weiß anwendet. Die Sequenz Sh4 nebst f4-f5 war durchaus interessant und brachte Matthias zunächst in die Defensive. Mit ruhigen Umgruppierungen und dem starken Vorstoß 22...g5! kam dieser aber doch gut in die Partie. Die folgende Phase bis zur Zeitkontrolle war sehr kompliziert und wahrscheinlich von beiden Seiten nicht optimal vorgetragen. Letztlich wickelte Matthias etwas unglücklich ab; 37...Te3 hätte wohl sofort das Remis fixiert. In der Partie musste er sich mit einem Minusbauern noch länge quälen, verteidigte sich aber sehr gut. Nach 94 Zügen (wieder die längste Partie des Tages!) war endlich die Punkteteilung erreicht.

Im Kandidatenturnier hätte ich heute mit einem Sieg gegen Torsten Gnirk alleine in Führung gehen können, doch es war nicht so richtig mein Tag. Vier Stunden Familienrechts-Unterricht am Vormittag waren sicherlich nicht die optimale Vorbereitung. Dem erwarteten Wolga-Gambit blickte ich immerhin halbwegs zuversichtlich entgegen, hatte ich diese Eröffnung doch kürzlich gegen das Handy eines Kollegen geübt (ja, die Dinger können alles heutzutage). Torsten entschied sich aber stattdessen für das gute alte orthodoxe Damengambit. Im von mir gewählten, eher untheoretischen Aufbau geht es um kleine Feinheiten, die ich leider nicht alle erkannte. 11.De2 wurde schon gespielt, ist aber wohl nicht der Brüller. Koryphäen wie Capablanca und Tartakower spielten einst 11.cxd5 (ja, in den 1920er Jahren war der Aufbau noch aktuell). Auch 11.Se5 wäre besser gewesen als einen Zug später. Die folgende Abwicklung war im Prinzip schon auf Schadensbegrenzung gerichtet. Die Schlussstellung ist eher etwas angenehmer für Schwarz (Plan: mit dem König e5 abholen), aber wegen des schlechten Läufers wohl in der Tat remis. Da die Hauptkonkurrenten auch alle remis spielten, ist das Ergebnis ganz okay. Stolze acht Spieler liegen nun mit 2,5 Punkten vorne, darunter auch Adnan Hadziselimovic (Vorletzter der Setzliste!), der bislang ein tolles Turnier spielt.

 

26.08.2007: WEM, 2. Runde

 

Heute ein etwas kürzerer Bericht, da ich noch mit Referendarstätigkeiten beschäftigt bin. Im Meisterturnier sorgt Boris weiter für Furore. Heute konnte er mit Holger Namyslo einen weiteren Brocken aus dem Weg räumen. Noch ist es zu früh, von der Titelverteidigung zu träumen, aber die Form scheint jedenfalls zu stimmen. Matthias erreichte heute im Maroczy-System den üblichen Raumvorteil, fand aber gegen den schwarzen Gummiaufbau kein Vorwärtskommen und gab sich mit Remis zufrieden. Nach der gestrigen aufreibenden Schlacht verständlich. Immerhin liegt er vor dem Elofavoriten Schmittdiel (0,5/2).

Im Kandidatenturnier gelang mir heute ein weiterer Sieg. In meiner Partie gegen Udo Ruprich prallten zwei verschiedene Spielauffassungen aufeinander. Während ich gerne mit dem Läuferpaar agiere, hüpft Udo bevorzugt mit dem Springerpaar in der Gegend herum. Nach gerade einmal 12 Zügen war die strittige Materialkonstellation auf dem Brett. Ich bleibe dabei: Das Läuferpaar ist in aller Regel stärker, zumal, wenn die Springer keine Stützpunkte haben. Zugegebenermaßen hätte die Sache recht zäh werden können, hätte Udo nicht mit 17.d4? unvorsichtig die Stellung geöffnet. Nach 17...Ld5! arbeitete die Taktik für mich und ich gewann bei guter Stellung einen Bauern. Ein gut getimter Bauerndurchbruch am Damenflügel brachte die endgültige Entscheidung.

 

25.08.2007: WEM, 1. Runde

 

Zu Beginn der Berichterstattung erst mal ein großes Lob an den Ausrichter SV Tübingen für die guten Rahmenbedingungen. In der TÜ-Arena spielt es sich angenehm, es gibt genügend Platz, die Beleuchtung ist gut und für jeden Spieler gibt es ein Tischkärtchen. Positiv auch, dass sich zahlreiche Schachfreunde zum Kiebitzen einfanden. Ihr Kommen lohnte sich durchaus, denn es gab zahlreiche spannende Kampfpartien zu bestaunen.

 

Die Turniere sind auch relativ gut besetzt. Im Meisterturnier findet sich Titelverteidiger Boris Latzke in der zweiten Hälfte der Setzliste und erwischte zum Auftakt ein vermeintliches Hammerlos: Schwarz gegen GM Schmittdiel! Doch schon nach ca. 15 Zügen hatte ich ein gutes Gefühl bei ihm: Solide Stellung, Druckspiel gegen eine Bauernschwäche, wenig Dynamik, das ist Boris' Ding, da kann er auch mit einem GM mithalten. Und in der Tat: Schmittdiel stand konstant leicht schlechter, riskierte dann zu viel, um das Blatt noch zu wenden und geriet in ein verlorenes Turmendspiel. Damit sicherte sich Boris seinen ersten Sieg gegen einen Großmeister. Bravo und weiter so!

Ein paar Bretter weiter wiederholte Matthias gegen seinen Ex-Vereinskameraden André Fischer überraschenderweise eine Variante im Franzosen, mit der er schon letztes Jahr in Banyoles böse eingefahren war. Eine nennenswerte Verbesserung hatte er nicht parat („zu faul, um was anderes vorzubereiten“). Die Stellung, die nach ca. 20 Zügen auf dem Brett stand (20...Th6?!?), hätte ich als Schwarzer wohl wegen akutem Brechreiz aufgegeben, aber Französisch hat nun mal seine eigenen Gesetze, es sieht furchtbar aus, man hat passive Figuren, Löcher überall, aber irgendwie hält es trotzdem zusammen. Dennoch hätte André gute Gewinnchancen gehabt, hätte er im Endspiel die Ruhe bewahrt und seinen König zum Damenflügel gebracht. Stattdessen wickelte er ungünstig ab und befand sich im resultierenden Turmendspiel sogar noch in Verlustgefahr. Nachdem Matthias aber nicht die kritische Fortsetzung fand, endete die längste Partie des Tages mit einem insgesamt wohl nicht unverdienten Remis.

Mit meinem eigenen Auftakt im Kandidatenturnier bin ich hochzufrieden. Normalerweise tue ich mich in der ersten Runde immer schwer, aber diesmal gelang mir ein überzeugender Sieg, der auch noch richtig hübsch ausfiel, wie ich bei aller Bescheidenheit anmerken darf. Mein Gegner Daniel Klaus spielte die Eröffnung etwas riskant und blieb mit dem König lange in der Mitte. Mit einem energischen Angriff gelang es mir, ihn dort festzuhalten. Der Schlüsselzug war 18.Se6! Selbst „Rybka“, das stärkste Schachprogramm der Welt, hat hier Mühe zu folgen, erst das Angriffsgenie „Junior“ weiß mein Konzept angemessen zu würdigen. Schwarz kann die Figur nehmen, ohne forciert matt zu werden, aber mein Angriff ist sehr stark. Unter praktischen Gesichtspunkten war das Opfer auf jeden Fall korrekt. Bei Gelegenheit muss ich das genauer analysieren, es gibt viele tolle Varianten. Mein Gegner lehnte das Opfer nach langem Nachdenken ab, was seine Aufgabe aber auch nicht leichter machte. 20.f6! war noch eine wichtige Feinheit, danach war Feierabend.

Es gibt außerdem genügend andere Partien, die es sich lohnt nachzuspielen (stehen alle auf der Turnierseite zum Download bereit). Mein persönlicher Favorit ist die malerische Partie Huhn – Bauer aus dem Kandidatenturnier. Die Notation des Schaukampfs Palmer – Dr. Ellinger ist wohl nicht überliefert, aber nach meinem Eindruck hielt sich der OB für einen ungeübten Spieler lange Zeit ganz ordentlich.

 

 

24.08.2007: Exkurs

 

Wo ich hier schon mal am Werkeln bin, sei am Rande auch auf das Open in Apolda (Thüringen) hingewiesen, wo drei jüngere Königskinder mit von der Partie sind. Dort legte Lauritz Jansen einen sensationellen Start hin: Gegen Spieler mit DWZ 1976 bzw. 1826 (Differenz 724 bzw. 574 Punkte) holte er 1,5/2! Die beiden Estedt-Geschwister sind nach zwei Runden noch ohne zählbaren Erfolg, hatten dabei aber ebenfalls deutlich stärkere Gegner.

Weitere Informationen gibt es hier.

 

23.08.2007: Start des WEM-Blogs (Vorschau)

 

In Kürze startet in Tübingen die diesjährige Württembergische Einzelmeisterschaft. Ich (Michael Schwerteck) werde nach Möglichkeit täglich meine Impressionen vom Turnier an dieser Stelle wiedergeben, so dass auch Schachfreunde, die nicht vor Ort sein können, von zu Hause aus mitfiebern können. Die Berichte werden naturgemäß subjektiv gefärbt sein; ergänzende, neutrale Informationen gibt es unter http://wem.svw.info/.

 

Hier zunächst eine kurze Vorschau:

Im Meisterturnier ist Eckhard Schmittdiel (SV Tübingen) als einzig teilnehmender Großmeister klarer Favorit. Seine Elozahl ist zwar nicht mehr das, was sie einmal war, aber gewisse Dinge verlernt man nicht und von der Spielkultur her kann ihm wohl keiner das Wasser reichen. Hohentübingen wird von Matthias Hönsch vertreten, der in der Setzliste an achter Stelle steht. Sein Ziel wird wohl sein, einen der Preisränge zu erreichen, die gerade bis Platz acht gehen.

 

Im Kandidatenturnier ist das Teilnehmerfeld an der Spitze so ausgeglichen, dass es keinen klaren Favoriten gibt. Ungefähr zehn Spieler dürften für den Sieg in Frage kommen. Hierzu darf ich auch meine Wenigkeit zählen, wobei ich (wie Matthias) an geringer Spielpraxis leide und mich als ehemaliger Vielspieler ziemlich eingerostet fühle. B-Klassen-Partien zählen praktisch nicht und drei, vier Pokalpartien pro Saison machen das Kraut auch nicht fett. Mal sehen, wie wir uns ins Turnier hineinfinden. Jedenfalls freuen wir uns darauf und werden unser Bestes geben.

 

 

 

Die Berichte der Saison 2006/07 befinden sich jetzt im Archiv.